Zur Bewahrung unserer Demokratie und des Friedens müssen wir uns immer wieder daran erinnern, was passiert, wenn man Hass und Hetze zulässt. Die aktuellen weltpolitischen Ereignisse zeigen uns, wie zerbrechlich Frieden und Freiheit sein können. Zur Erinnerung an die Geschehnisse der Pogromnacht am 9. November 1938 versammelten sich mehr als 150 Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt am ehemaligen Standort der Synagoge am Nordwall in Geldern.
In seiner Rede, verwies Maurice Hommes, Vorstandsmitglied von Bündnis90/Die Grünen in Geldern, wie schnell ein friedliches Zusammenleben von Menschen jeglicher Religionen sich in Diskriminierung und schließlich in ein systematisches Morden von jüdischen Mitbewohnern veränderte. Die Rede von Maurice Hommes können Sie sich anhören oder durchlesen:
Heute vor 85 Jahren setzten Mitglieder der SA und der NSDAP in einem barbarischen Terrorakt in ganz Deutschland rund 1.400 Synagogen in Brand, zerstörten mehr als 7.000 Geschäfte jüdischer Einzelhändler und verwüsteten Wohnungen der Juden. Dieser 9. November 1938 war der Tag, an dem Tausende Jüdinnen und Juden misshandelt, verhaftet und getötet wurden. Die Nacht auf den 10. November war das offizielle Signal zum größten Völkermord in der Geschichte.
Auch in Geldern. Heinrich Kempenich erinnerte sich an die jüdische Gemeinde in Geldern um 1880, fünf Jahre nach der Einweihung der Synagoge wie folgt: „Das Verhältnis der Katholiken zu den jüdischen Mitbürgern war gut. Das Wort ‘Antisemitismus’ war in jener Zeit völlig unbekannt. Die jüdische Gemeinde, einige 20 Familien, hielt aber auch fast durchweg auf Ehrbarkeit und Wohlanständigkeit, so daß kein Anlaß zur feindlichen Gesinnung von Seiten der andersgläubigen Bewohner vorlag. Im Allgemeinen war die jüdische Bevölkerung von mäßiger Wohlhabenheit, ganz arme Familien gab es nicht. Überhaupt war zu jener Zeit das innere Gemeindeleben der kleinen jüdischen Einwohnerzahl auf Heiterkeit, Genügsamkeit, recht bescheidene Lebenshaltung und Sparsamkeit gestellt, in nichts unterschied man sich darin von den christlichen Mitbürgern, mit denen man in Eintracht und Freundschaft lebte”. Dieses friedliche Zusammenleben verschwand größtenteils mit der Diskriminierung der Juden ab 1933.
Im Zuge der Reichspogromnacht wurde es, so wie die Synagoge, endgültig vernichtet.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir versammeln uns heute sowie jedes Jahr an diesem Tag an diesem Ort, um den vielen Millionen Menschen zu gedenken, die unter der Herrschaft der Nationalsozialisten ihr Leben verloren haben. Wir versammeln uns aber auch um deutlich zu artikulieren, dass jetzt und in Zukunft in unserer pluralistischen Gesellschaft kein Platz für Antisemitismus ist. Dass Jüdinnen und Juden in Deutschland mit Blick auf die steigende Anzahl antisemitischer Straftaten wieder Angst haben müssen, ihre Häuser und Wohnungen zu verlassen ist mehr als traurig und mit unserer Verfassung an keiner Stelle vereinbart. Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. So steht es im Grundgesetz und genau so ist es auch gemeint!
Um das nochmal unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen: Wir solidarisieren uns selbstverständlich mit allen Opfern von Antisemitismus
Ich weiß nicht, ob es kühn ist, zum Schluss jetzt eine Bitte vorzutragen. Oder am liebsten gleich zwei:
Bewahren Sie sich bitte, wenn eben möglich, die nach den Abstürzen unserer Geschichte mühsam errungene Fähigkeit und Bereitschaft über den Wettbewerb der Gruppen und Meinungen hinweg den Konsens der Demokraten gegen Fanatiker und Fundamentalisten für noch wichtiger zu halten.
Ich beende meine Ansprache jetzt mit einem Zitat der Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer aus dem Tagesspiegel vom 01. November und bitte Sie, sich diese Worte zu merken: „Wir sind alle gleich. Wir kommen auf dieselbe Art und Weis auf diese Welt. Es gibt kein christliches, muslimisches oder jüdisches Blut. Wir haben alle dasselbe. Wir sind alle dasselbe.“
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